Texte aus dem Jahr 2010
Der Zeichner zeichnet
Je mehr ich zeichne – Zeichnung als Weltentwurf*
Eine Ausstellung im Museum für Gegenwartskunst Siegen vom
5. September 2010 – 13. Februar 2011.

Der Text von Annelie Pohlen ist
in dem Katalog zur Ausstellung
erschienen. Mehr Info hier.

Mehr Infos zur Ausstellung hier.

von Annelie Pohlen
Der Zeichner zeichnet. Wandzeichnung mit darin integrierter Auftragszeichnung und Auftragstext sowie einem am Küchentisch zeichnenden Zeichner. Atelier Berlin 2009

Abbildung oben wie im Katalog – unten ein Detailansicht, wo die im Text erwähnten roten und schwarzen Ziffern besser zu erkennen sind
Ein „am Küchentisch zeichnender Zeichner“ gibt in Berlin 2009 Einblick in seine Praxis des Zeichnens. Mit dem Stift zeichnet er auf ein DIN A4 Blatt. Ob die „Wandzeichnung mit darin integrierter Auftragszeichnung und Auftragstext“ auf dem Foto in Zusammenhang damit steht, sei fürs Erste dahingestellt. Die ‚Bezeichnung‘ Künstler vermeidet der Autor. Auf seiner Homepage stellt sich Hannes Kater als „Zeichnungsgenerator“ vor. Der in der Elektrotechnik geläufigen Maschine verdanken wir Energie aus einpoligen wie mehrpoligen Verzweigungen. So ist man verführt, die Wandarbeit wie eine Modellzeichnung für Generatoren zu lesen. Auch die funktionieren – was den Einsatz der Linie zwischen figürlichen wie abstrakten Abbreviaturen, Worten und Ziffern angeht – als Handreichung der „komplexen Regeln..., die man als Werkzeuge braucht...“**
**  Zitate Hannes Kater, in: Hannes
Kater, „The Feeling of What
Happens (Henry 2) – eine Hand-
reichung“, Kunstverein Cux-
haven, 2010
Hier gibt es mehr Infos zu die-
sem Katalog
.


Diesen folgend nimmt man alsbald irritiert zur Kenntnis, dass die schwarzen Ziffern 1 bis 3 unten im Nichts landen und die rote Strecke von 1 bis 4 zwar im Zentrum verharrt, mangels auffindbarer Ziffer den Schritt Nummer 3 aber zu überschlagen scheint. Immerhin behaupten die rote 2 und das handschriftliche „Write“ in der blauen Kreisfläche die vertraute Text-Bild-Beziehung im Gefüge der gezeichneten Zeichen. Da weder die Ziffern noch die bisweilen mit Pfeilspitzen versehenen Linien zwischen den abstrakten und figürlichen ‚Zeichen‘ zu klären vermögen, „was wir über das Abgebildete wie denken“, nimmt man Katers Vorschlag, sein „ Zeichnen in erster Linie weder als Beschreibung von Relationen zwischen abstrakten Entitäten, noch als formales Spiel mit zeichenhaften Elementen“ zu verstehen, dankbar an und widmet sich der Alternative: Der zufolge zielt „das sich fortwährend weiterentwickelnde System von Darstellungsnormen“ darauf, „nicht nur Begriffe, sondern auch Emotionen klären zu können.“ Wer der gradlinigen Ratio huldigt, landet ohnehin in einer emotionalen Krise, gemeinhin Frustration genannt. Wer von der Vorführung des Zeichners am Küchentisch angestachelt den Brückenschlag vom Denken zum Fühlen wagt, wird das Risiko der Kurzschlüsse zwischen den Polen im Labor des sich fortschreitend weiterentwickelnden Systems eingehen. Da weder Forscher noch Nutzer ohne Werkzeuge auskommen, um das aus allen denkbaren Bereichen eines vorstellbaren Universums gesammelte, archivierte und nach allen Mustern des tabellarischen, lexikalischen, prototypischen oder detailverliebten Aufzeichnens aufbereitete Wissen in zwei- wie dreidimensionaler Version zur Anschauung zu bringen, füllt eine stattliche Riege von Fall zu Fall bühnentauglicher ‚Darsteller‘ den Modellbaukasten mit lexikalisch aufgelisteten handgezeichneten Versionen. Darsteller 01 ist – wen wundert‘s – das Hirn, der Anschaulichkeit wegen ein Croissant.
Dessen dreidimensionale Form posiert 2004 mit 24 weiteren Vertretern in der Ausstellung „Vom wahren Zeichnen im falschen“. „Eine Tafel mit dem zur Eröffnung aktuellen Lageplan“ verheißt Orientierung in dem über Decken und Wände in den Raum wuchernden Kosmos des Zeichners. Das Effizienz versessene Hirn verstrickt sich unweigerlich im Angebot der Zettelboxen, Schautafeln, Zwischen- und Abfalllager. Wer nicht aufgibt, nimmt derart mustergültige Vorführungen als Angebot zur permanenten Des- und Umorientierung vom Denken zum Fühlen und viceversa wahr. Der in Problemlösungsangeboten hoch spezialisierten Dienstleistungsgesellschaft bietet der subtil ausdifferenzierte Kosmos des Zeichners eine wunderbar subversive Handreichung: Man erteile Kater höchstpersönlich – per mail – den Auftrag, einen Text – Beschreibung von Situationen und Begebenheiten sowie die diese begleitenden Gedanken und Gefühle – in eine Zeichnung zu übersetzen. Das handgezeichnete Produkt erhält der Auftraggeber auf gleichem Wege zurück. Kostenlos! Die Verfahrensweise ist – alle möglichen Verwicklungen inbegriffen – auf www.hanneskater.de verzeichnet. Was könnte für die Gesellschaft verlockender, subversiver und ertragreicher sein als eine derartige Umwertung kommerzieller Auftragspraxis in Kunst?


































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