Texte aus dem Jahr 2000
 

Inhaltsverzeichnis:

1. Semantische Modelle
2. Erzählen
3. Der Zeichnungsgenerator
4. Den Zeichnungen Raum geben
5. Statistische Untersuchung des
    Darstellers 'Gehirn"

6. Bild- und Textnachweis

Hannes Kater verstehen. Eine Sympathiebroschüre
Eine praktische kleine Einführung in die Welt von Hannes Kater.


2. Erzählen

Was gemeinhin Erzählung genannt wird, interessiert Kater immer weniger. „Aktion", sagt er, „Aktion findet im Semantischen statt, verhandelt also immer Moral".

Schon bei „Programm für Singel 74" gab es lang gedehnte Erzählmotive, in denen nichts geschieht, außer dass sie in ungeheuer dicht verwobenen Reflexionen den Weg des Denkens des Ich-Erzählers, des Ich-Zeichners, beschreiben. Das so Entstandene kann man "Relationsstrukturen" nennen.
In den Relationsstrukturen, die Kater in letzter Zeit gezeichnet hat, spielen Ereignisse eines äußeren Geschehens oft kaum noch eine Rolle.

„Der Grundstein jedes Bildprogramms ist eine Zeichenkette... - ich habe natürlich immer auch eine Struktur-Idee für das gesamte Projekt im Kopf und denke über die größeren Bewegungen nach. Aber wenn ich ein gute Zeichenkette zeichne und neben eine andere gute Kette stelle, merke ich: Das ist es, was ich am besten kann. Das liegt weit unterhalb eines Plots etwa eines Comics, wo ein Problem in Band eins eingeführt und in Band drei aufgelöst wird – daran gibt es natürlich gar nichts auszusetzen, aber mein Interesse ist ein anderes."

Es ist ein Teil der Kunst von Kater, der alles, was man wissen muß, manchmal schon in der allerersten Zeichenkette zeigt, dass seine Bilderzählungen die Betrachter weder mit Tricks noch mit Kunstverweisen zu ködern versucht.

Wie Kater zu den Zeichen, Zeichnungen, Themen findet, die er zeichnet, ist kaum geheimnissvoller als bei anderen Erzählern. Überall in seinem Haus liegen Papier und Stifte, er zeichnet auf, was ihm einfällt, was er erlebt, was er sieht und was ihm erzählt wird, sofern es auch nur ein leises Summen in ihm auslöst.

Was dann kommt ist harte Arbeit an der Erfindung. Und Performance vor Ort, wenn er ähnlich wie ein Jazzmusiker in freier Improvisation über ein Thema zeichnet, sein erarbeitetes Repertoire variiert.
Kater hat seine Produktionsform einmal „eine Art von beiläufiger Magie" genannt, „die nicht hinreichend erklärt werden kann in der Art, wie zum Beispiel die Ankunft eines Zuges in Berlin entlang des Schienenstrangs, der Weichen, Anschlußgleise und Tunnel den ganzen Weg nach Braunschweig zurückverfogt werden kann, wo er losfuhr... einmal gezeichnete Linien sind rückblickend so nicht erklärbar."

Für das Verständnis der Zeichnungen von Hannes Kater sind solche Untersuchungen unbrauchbar, „denn sie beginnen mit der Existenz von einem Zeichen, das so aussieht wie ein Croissant und halten es für selbstverständlich, während das vermeintliche Croissant für den Zeichner nicht nur zuerst kein Brötchen ist, sondern ein Zeichen, dass nicht allein gefunden, sondern aus dem Nichts heraufbeschworen wurde.

Tatsächlich mag das Zeichen am Anfang gar nicht so ausgesehen haben wie ein Croissant – vielleicht sah es aus wie ein Brot, ein Knoten, eine Schrippe -, aber es wurde zu dem Croissant, weil der Zeichner die anderen Zeichen wieder vergessen hat, oder weil das Croissant die schöne Gliederung mitbringt und auf dem Papier nett und ein bißchen französisch aussieht, während eine Schrippe diese grobe Kerbe hat und es außerdem dämlich an Berlin erinnert... Das heißt, man kann die wirklichen Spuren nicht zurückverfolgen, weil sie nur in jener düsteren, stillen, aber produktiven interstellaren Nacht existieren, wo Impulse, freie Assoziationen, Instinkt und Irrtum regieren." Wer also nach einem autobiographischen Ausgangspunkt in Katers Zeichnungen fahndet, reist besser nicht per Bahn.


Der dritte Abschnitt Der Zeichnungsgenerator

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