Texte aus dem Jahr 2007
Über die Vorstellungskraft
Oder von der „ars combinatoria“ bei der Expansion der
Zeichenketten von Hannes Kater
Hannes Kater verstehen.
Eine Sympathiebroschüre
Eine praktische kleine Ein-
führung in die Welt von
Hannes Kater.

 Inhaltsverzeichnis

1. Semantische Modelle
2. Erzählen
3. Der Zeichnungsgenerator
4. Den Zeichnungen Raum
    geben
5. Statistische Untersuchung
    des Darstellers 'Gehirn"

von Annelie Pohlen
**  Telefonzeichnungen
Texte über Telefonzeichnungen und das Zeichnen am Telefon beim Telefonieren. (Erschienen in einem Katalog zu der Ausstellung "Telefonzeichnun-
gen", unter anderem im Kunstverein Karlsruhe, 1980)

Am Telefon zeichnen
von Hans van der Grinten

Über die Geburt der Nervosität und einen Weg, sie zu meistern
von Klaus Fischer

Rufen Sie doch mal an: ich möchte zeichnen!
Lothar Romain über die Telefonzeichnungen von Eggenschwiler, Hüppi und Roth.

Zu den Telefonzeichnungen von Franz Eggenschwiler
von Hans Christoph von Tavel

   „Hannes Kater verstehen“
* ist Titel eines Essays, geschrieben vor 7 Jahren in einer „Sympathiebroschüre“ in Braunschweig. Die Abkürzung des verantwortlichen Herausgebers VdHdZ erschließt sich als Verwertungsgesellschaft der Handzeichnungen des Zeichnungsgenerators mit Sitz in Hannover/Berlin/New York. Da es sich weder um einen e.V. noch um eine GmbH oder sonst noch handelsübliche Abkürzungen für Gesellschaften handelt, entschließe ich mich allen Vermutungen zum Trotz, dass es sich ohnehin um eine Künstler(er)findung handelt, aus purer Lust, die Google-Maschine anzuwerfen und lese erwartungsgemäß: „Die angeforderte Suche ‚Verwertungsgesellschaft der Handzeichnungen des Zeichnungsgenerators’ ergab keine Ergebnisse“ mit der bekannten Aufforderung, einen anderen Weg einzuschlagen.

   Also nur „Zeichnungsgenerator“ eingegeben. Treffer 1 bis 7, Hannes Kater, 8 ein Wälzlager, 9 wieder Kater, 10 Impuls-K GmbH, dann langsamerer Wechsel zwischen Kater und industriellen Angeboten. Ungeduldig schalte ich auf die letzte Seite, in meinem System komme ich ohnehin nur auf 102 Ziffern, die letzte wieder Kater – will ich erst mal nicht, 101 klingt lustiger: „pflumi-Sammelseite“ und wieder bei Kater, gelange über Umwege, darunter die wunderbaren Ankündigung von „Telefon-Graffiti (Doodles) als Offenbarung“, zu einer Rede von Michael Glasmeier, gehalten anlässlich der Preisverleihung des Peter Voigt-Reisestipendiums 1999 für NYC.* Der Stipendiat, Hannes Kater, ist Student an der HdK in Braunschweig.

   Glasmeier startet die Rede mit dem Brückenschlag von seiner ersten Wahrnehmung des ihm zu Beginn seiner Lehrtätigkeit noch unbekannten Studenten zu einer der schönsten Ausstellungen zum Thema Zeichnung im Jahre 1980. Es geht um die „Telefonzeichnungen von Franz Eggenschwiler, Alfonso Hüppi und Dieter Roth, genauer um den Katalog: „Und das ist doch eigenartig, wenn eine eher schnelllebige, en passant-Angelegenheit sich zu vier Bänden auswächst, wovon einer ausschließlich der Theorie verschrieben war.“
** Der Student – „Er hörte zu und beantwortete… (Tut jetzt eher nichts zur Sache, Anm. der Verf.) Ansonsten kritzelte dieser Hannes Kater weißes Papier voll, praktizierte also die Theorie….“ Ich werde die Rede später lesen. Im Moment interessiert mich das Aufeinanderprallen meiner Recherche zu der VdHdZ mit den Telefonzeichnungen und dem kritzelnden Studenten. Ich unternehme den 2. Schritt von dort auf Nr. 102, Homepage von Hannes Kater, wo mir, heute ist der 12.6., die Tageszeichnung vom 11.6. zum Tod des Wissenschaftlers Richard Rorty (1931 – 2007) mit Bezug auf einen Text in der FR ins Auge fällt. Kater hat dieses Projekt 2003 in Gang gesetzt. Ich drucke es aus für spätere Verwertung – und kann den Drucker nicht stoppen, Kettenreaktion, bis kein Papier mehr drin ist, rote Lampe – schalte den Drucker aus und gehe zurück zum Text.

   Nach den vielen Umwegen entschließe ich mich zum 2. Schritt: Diesmal direkt "http://www.hanneskater.de", erneute Suche nach der Verwertungsgesellschaft für den Zeichnungsgenerator. Ich bleibe beim „Bleckeder Bäckertest“ hängen, nicht weil mich dieses Projekt mehr interessierte als alle anderen, sondern weil ich tags zuvor zum ersten Mal in Bleckede war, die Kleinstadt mit einem Mix aus Staunen und Abwehr bei südlicher Hitze durchwandert habe und eine Art Postkartenbildersammlung aus meinem Hirn mit Hannes Katers Infos abgeglichen habe. „Der Bäckertest in der Presse“ ist ein eigenes Kapitel im charmanten ‚Look’ des für Provinzzeitungen üblichen Vorgehens: ein Foto vom Künstler – Kategorie Künstler zum Anfassen – mit dem Vorsitzenden des örtlichen Kultur- und Heimatkreises. Am Ende der kurzen Informationen zu Katers Projekt der Satz: „zu diesem Zweck erwarb er das ‚Bleckeder Heimatbuch’.“ Natürlich bin ich auf der Suche nach der Verwertungsgesellschaft auf eine Vielzahl anderer „Stichworte“ gestoßen, habe mich hier und dort von meinem Anliegen ablenken lassen. Die Verwertungsgesellschaft habe ich jedenfalls nicht gefunden. Ich habe die Suche abgebrochen.

   ‚Vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen’ steht sprichwörtlich für alltägliche Verstrickungen, die vom Ziel gerichteten Denken und Handeln ablenken. Was wir zu wissen glauben: Alles hängt irgendwie mit allem zusammen. Das menschliche Leben basiert auf der Verkettung von Genen. Die Evolution ist eine Form von Kettenreaktionen mit Haupt- und Nebenwegen. Alles ist in der einen oder anderen Form in Register – Lexiken, Bibliotheken, CD-Roms, Statistiken, Raster, Schaubilder etc mit je spezialisierten Unterabteilungen – eingespeichert. Im „www“ hat sich alles zu einem gigantischen Informationslabyrinth ausgeweitet. Wie aber richtet sich ein Künstler ein, der mehr will als nur Daten für passable Durchgänge, was lässt sich an Wissen und „Erfahrung nutzen, was an Intuition? „Welches Werkzeug lässt sich nutzen und wie, in welcher Reihenfolge...“ Irgendwie muss man anfangen. „... er räumt auf und organisiert“ ** sich im Netzwerk der möglichen Kontexte und Konnotationen zwischen den möglichen Spielarten von Urteilen und Vorurteilen aus Tradition und Gegenwart. Er legt ein Werkbuch an, um Möglichkeiten des Vorgehens aufzuzeichnen. Wie jeder andere Spezialist über eingeübte Fertigkeiten verfügend zählt das jedem Laien auch geläufige Kritzeln im gegebenen Fall zum ‚verwertbaren’ Repertoire. Zum traditionsreichen Werkbuch aus Papier gesellt sich der digitale Speicher, weswegen auch Außenstehende in den Prozess einzusteigen vermögen. Das scheint überschaubar einfach, ist es eigentlich auch, nur: alles Einfache ist immer auch verwirrend komplex.

   Irgendwann habe ich in "http://www.hanneskater.de" unter dem Stichwort Projekte nach einer Art biografischem Anfang gesucht. Projekt Nr. 01 ist von 1996 und findet im und mit dem NDR-Büro in Braunschweig statt. In Kooperation mit seinem Künstlerkollegen Armin Chodzinski stellt Kater einen „ersten Entwurf für eine mediatorische Kosmologie“ vor. Der Auftritt im Team – aus Werbeveranstaltungen jedweder Art vertraut – ist so hintergründig zeitgemäß wie der nicht eben bescheidene Titel: Chodzinski hält die gemeinsam erarbeitete Rede, Kater projiziert mittels Overheadprojektor Folien, gegebenenfalls einzeln oder auch übereinander, um „Beziehungsgeflechte des Erkennens, Sortierens – Vermittelns…“ vorzustellen. Und „weil Kater um seine Grenzen und Schwierigkeit des Themas wusste, nannte er es …“ eben so wie oben zitiert. Nun kann man spekulieren, ob die vorgebliche Einschränkung nur auf den ‚ersten Entwurf’ zielt – oder ob nicht schon in Projekt Nr. 01 eine Form von Kosmologie ‚in nuce’ angelegt ist, will meinen die utopische Vorstellung von einem vermittelbaren, begreifbaren Kosmos, von seiner nicht nur denkbaren, sondern anschaubaren, also auch sinnlich wahrnehmbaren Wirklichkeit.


Pavel Florenskij, , zit. n.: http://www.kontextverlag.de
   Das Material für Projekt Nr. 01: „-Die Rede / -Die Zeichnung zur Rede/ -Die Abbildungen/ -Der Zeichnungshalter: Ansichten / Bauanleitung.“ Ich erlaube mir, das Projekt als die vorläufige Einrichtung einer Werkstatt anzusehen, in der es darum geht, Möglichkeiten des Handelns in der Lücke zwischen Wissensakkumulation und Wahrnehmungsohnmacht auszuloten, Instrumente und Gebrauchsanweisungen zu (er)finden, um „die Entwicklung einer eigenen, neuen Zeichensprache voranzutreiben – und seine Möglichkeiten und Grenzen auszuloten.“ Das führt zu den „wichtigsten Neuerungen“, als da sind „die von mir so genannten Darsteller. Das sind Ideogramme, ideographische Zeichen, die, anders etwa als Buchstaben, vergleichbar mit ägyptischen Hieroglyphen als Begriffszeichen zu verstehen sind.“
Klingt einleuchtend, erweist sich aber bei näherem Hinschauen als verwirrend: 1. was ist mit ideographisch gemeint; 2. könnte gegebenenfalls der Vergleich mit den Hieroglyphen eher auf deren sprichwörtliche Undurchschaubarkeit abzielen; was schließlich ist ein Begriffszeichen? Lassen wir es einmal so stehen (eine gängige Vorgehensweise, wenn sich die Fragen nicht so einfach beantworten lassen) und schalten im Register für „Darsteller“ auf „Gehirn“.

   Früher galt das Kopfhirn als einzige Schaltstelle für das Denken. Inzwischen hat sich – mindestens in Teilen der Forschung - das Bauchhirn dazugesellt. Bleiben wir gleichwohl erst einmal beim Kopfhirn. Was anatomisch betrachtet ziemlich verschlungen, um nicht zu sagen labyrinthisch erscheint, hat in Katers Fassung die Form eines Croissant, eine Sehweise, der Kater natürlich längst widersprochen hat, wie man in der Sympathiebroschüre auf S. 13 nachlesen kann –„…während das vermeintliche Croissant für den Zeichner nicht nur zuerst kein Brötchen ist, sondern ein Zeichen, das nicht allein gefunden, sondern aus dem Nichts heraufbeschworen wurde …das heißt, man kann die wirklichen Spuren nicht zurückverfolgen, weil es nur in jener düsteren, stillen, aber produktiven interstellaren Nacht existieren… (um sie dann doch selbst zu nutzen in der auf S. 25 folgenden statistischen Untersuchung des Darstellers ‚Gehirn’, was zum Zeitpunkt des Erscheinens besagter Broschüre bedeutet, dass von 1995 bis 2000 pro Jahr 300 Zeichnungen untersucht wurden).

   Ich widme mich dem Darsteller 01 [Gehirn] aus [entstanden / entwickelt / offiziell geworden vor dem Jahr] 1996 und lese: “denken, nachdenken, an etwas denken, Wahrnehmungsgebäck“, von dort zu Typ 1 nach oben gekrümmt, „eher konservativ“, Typ 2 ziemlich gerade gerichtet, „eher progressiv, fortschrittsgläubig“; scheint im gegebenen Fall plausibel. Dann folgen Erläuterungen wie „Auch: ‚Sich erinnern, ausdenken, grübeln, in Betracht ziehen, überlegen’. Und: ‚sich vertiefen, mit sich zu Rate gehen’.“ Für welchen Untertyp mag nun was gelten? Weiter unten Darsteller 04 von 2001 für „archaisches Denken“, auch nach unten gekrümmt, nur weniger Unterteilungslinien mit der Anmerkung’ unreflektiertes/primitives / schlichtes / mandelkerniges Denken“. Man kann diesen ‚Linien’ weiter folgen oder irgendwo auf der Strecke hängen bleiben, etwa beim „Vogelhirn“, was mir im Moment entgegenkommt: Das nämlich steht für Konfusion.


Unveröffentlichter Text
von Hannes Kater,
S. 9-10, 1998.
   Ich blättere wie immer, wenn mir die Konfusion zu weit geht und mich das Herumklicken im Netz nervt, handgreiflich im Lexikon. Im 20-bändigen Brockhaus von 1972 steht zu Ideographie (Bd. 8): „1. eine Schrift, die Mitteilungen noch nicht an die Lautsprache bindet und die daher nicht im Wortlaut gelesen werden kann, sondern nur ihrem Inhalt nach aus den verwendeten Bildzeichen zu deuten ist, auch Begriffs- und Ideenschrift genannt. 2. Pasigraphie (noch nie gehört); also zu Bd. 14: „eine Zeichenschrift, die unabhängig von jeder lautsprachl. Form Begriffe und Gedanken ausdrückt und damit Angehörigen aller Sprachen verständlich ist.“ Dazu werden Ziffern, internationale Flaggensprache und die Verkehrszeichen gerechnet. Mit dieser Frage hat sich ausweislich Brockhaus schon Leibniz in „De arte combinatoria“, 1666, beschäftigt, als es vermutlich noch keine Verkehrszeichen gab. Den Titel borge ich aus als Brücke zu Hannes Katers ideographischer Methode, mithin einer Vorgehensweise, der zufolge sich der ‚Darsteller’ für das Gehirn aus dem Knoten entwickelt hat und im anhaltenden Prozess der ‚ars combinatoria’ eben nicht definitiv sein kann, sondern sich fortlaufend kondensiert und wieder ausweitet, in Detailvarianten zum Brothirn mutieren kann und zurück zum Knoten-Gehirn, dessen statistische Auflistung in Katers Zeichen-/Zeichnungskosmos zwischen 1995 und 2000 laut Sympathiebroschüre immerhin die stattliche Quersumme von 573 ergibt.

   Eher am Rande die Anmerkung (vielleicht auch [bezogen] auf den ‚Bäckertest’): die Croissantform bringt es im genannten Zeitraum auf 2030 und dazu noch einmal 170 Varianten und eher summarisch aufgezählte „frühe Formen, seltene und oder komplexe Varianten“, die im ‚Lexikon’ der Darsteller auftauchen, darunter 2006 erneut als Nr. 32 das Brötchen, wovon das ‚bewusste blaue Brötchen’ ein Bewusstsein um die eigene Beeinflussbarkeit der durch Brötchen getroffene Entscheidungen ‚ideo- oder pasigrafiert’. Man kann so fortfahren und annehmen, dass auch dann, wenn das Gehirn nicht explizit genannt ist, dessen Strömungen gemeint sind, was – wollte man sich in die wuchernden Erkenntnisse der Hirnforschung hineinbegeben – für den Laien zu kaum mehr ‚lesbaren’ Kettenreaktionen führen müsste.

   Zurück zum Ausgangsknoten, dessentwegen man vom Verknoten sehr bald zu Verknüpfungen gelangt und damit unweigerlich zu der Linie, die ich hiermit zum Hauptdarsteller im Werk von Hannes Kater deklariere. Was auch immer in der Geschichte der menschlichen Zivilisation zur Anschauung gelangt, basiert auf der Linie: das gilt für die Schrift; das gilt für das Bild. In der Natur gibt es keine Linie, in der Fläche nachweislich auch nicht. Das, was wir Linie nennen, ist eine Idee, ein Konzept, im Werk von Kater mithin ein taugliches Instrument bei der Organisation möglicher Handlungsweisen, weswegen es von Interesse sein kann, einen Satz aus Thomas Hubers* Gutachten für Kater aus dem Jahre 1997 zu zitieren: „Vertrauensvoll folgt Kater der Spur seines Stiftes. Dieser zeichnet einen klaren, nie verhuschten, einen gangbaren Weg vor, dass es eine Lust ist, ihm auf den immer verschlungeneren Pfaden zu folgen, sich in die Labyrinthe Katers führen zu lassen.“*

   Da nun das Labyrinth so kompliziert geworden ist, dass es nicht mehr klappt mit dem e i n e n Faden zwischen Eingang und Ausgang, bedarf es wohl, um handlungsfähig zu bleiben, eines “Generators“, der die Linie – anders als im klassischen ‚Mythos’ – immer wieder von neuem ab- und aufwickelt und dies in viele mögliche Richtungen.

   „Make a valid sentence“ ist Titel einer 1998 in drei ‚Varianten’ präsentierten Aufführung möglicher Verknüpfungen, mit ausgewiesenem Schauplatz im Kunstverein Hannover (I), an der HdK Braunschweig (II) und an einem „Ort, der einem nur teilweise zur Verfügung steht“ (III). Sätze bestehen – nach gängiger Auffassung aus Wörtern. Auch diese bedürfen, um sichtbar zu werden, der Linie – ganz so wie die Zeichnung, weswegen beide Handlungsergebnisse auch als Grafik qualifiziert werden. Wie Linien kondensieren auch Sätze Konzepte und Ideen, die nicht nur die Fläche, sondern den Raum erobern. Dafür stehen auf dem Boden und auf diversen plausiblen Vorrichtungen – vom Umzugskarton bis zum Tisch – Overheadprojektoren bereit, wohl auch damit die „Darsteller“ (das Vokabular) über die „Ich-Station“ (Künstler/Betrachter), die „Selbst-Konstruktion“, „Körper im Raum“, „Sammlung“, „Erinnern“, „Träumen1“, „Träumen2“, „Liebe“, „Beziehung(en), Vernetzung“ (real + Idee) in die Stationen eines gültigen Satzes von einer Idee und/oder einem Bild einziehen können.

Unveröffentlichter Text
von Hannes Kater,
S. 9-10, 1998.
   Overheadprojektoren dienen gemeinhin zur Bebilderung von Gesprochenem, wofür in Version II der Redner/Künstler ans Pult treten kann, wo er gegebenenfalls Handzeichnungen, in die das Publikum nur der Overheadprojektion wegen Einblick nimmt, wie im Lichtspieltheater als Szenen einer Aufführung des Stückes mit dem genannten Titel zum Einsatz bringt. Das Darsteller-Vokabular ist – wie oben ausgeführt – durchschaubar, das Prozedere einleuchtend. Wenn das eine mit dem anderen in allen gerade möglichen Varianten vernetzt wird, stellt sich die Frage, ob es wirklich eindeutig werden kann/muss, ob es nun um gültige Sätze oder gültige Sentenzen geht. Herausfinden muss es wohl jeder für sich selbst – und sei es in der Weise von Alice in Wonderland nach Katers hier gekürzter Fassung im Weblog vom 20. 11. 2002: „Es fragt sich nur“, sagte Alice, „ob man Wörter einfach etwas anderes heißen lassen kann.“ „Es fragt sich nur“, sagte Goggelmoggel, „wer der Stärkere ist, weiter nichts.“ Wenn Hannes Kater seine Zeichnungsvorlagen – auf transparenter Folie – vom Projektor wegnähme, bliebe ohnehin ‚nur’ die leere Lichtfläche.*

   Das Spiel mit den Wort- und Zeichnungsdarstellern treibt Hannes Kater 2001 in dem Projekt „Into a World in a day“ auf wunderbare Weise voran. Dass bei diesem so bekannt anmutenden Titel offen bleibt, in welche Welt es an welchem Tag gehen soll, fällt zunächst kaum auf; dafür gibt es diesmal ausdrücklich eine „Einstiegshilfe“ – in Form eines 3D-Modells für die Textbausteine zur angelegentlichen Übertragung in einen Plexiglaszylinder im Raum. Dort ist er betretbar, genauer, man kann den Kopf hineinstecken und die Worte auf die Wände projizieren, die wiederum bis unter die Decke mit Raumzeichnungen besetzt sind. So kann man Wortkanon und Bildkanon zuordnen, dabei gewissermaßen seinen Kopf im durchsichtigen Hirnspeicher drehend, um sich je nach Richtung im Labyrinth der Beutungsmöglichkeiten von „ich:kopf ---grenze“, „Zurichtung – der Wahrnehmung“, „ich:körper“, „gedächtnis“, sex – denken“ etc. zu verschlingen.


   Es folgt nun ganz auf die Zeichnungen setzend „Say Hi to the seven possibilities of drawing“ [Foto] für eine Präsentation in der Goliath Art Space NYC, 2003, und im folgenden Jahr ein raumgreifendes Projekt für den Bonner Kunstverein mit einem der für Katers Verschlingungen und Verknotungen schönsten kryptischen Titel. Die Rede ist „Vom wahren Zeichnen im falschen“. Mich erinnernd, dass es sich bei diesem Typ der Präsentation um Ausstellungsprojekte handelt, die mit der Eröffnung nicht abgeschlossen sind, sondern sich vor Ort weiterentwickeln, nutze ich den „Lageplan“ vom 03.10.2004. „Da an der Raumzeichnung auch nach der Eröffnung weitergearbeitet wurde, war immer der Stand des Plans und der Fertigstellung der einzelnen Stationen angegeben“, weswegen derartige Ausstellungsprojekte nicht nur für den Künstler, sondern für den Besucher zu einer Verkettung von Ist-Zuständen im Prozess mutieren.

   Mein Blick fällt nahezu automatisch auf ein großes rotes A : „Darstellerlexikon im Rundregal“, wenn man so will die am besten aufgeräumte Ecke in der Werkstatt des Zeichners, die Konzentration der Prototypen für die sich fortlaufend entwickelnde Raumzeichnung, die nach und nach den ganzen Raum in alle Richtungen flutet, vernetzt durch Arbeitsplätze, Zwischenlager, Schautafeln, Material- und Abfalllager, Zettelboxen und Projektionsgeräte, Mobiliar zum Sitzen, Ablegen, Ausruhen, Abstellen, Schreiben, Zeichnen und so fort. „Des Zeichners dritte Dimension“ ist unter Station 6 [Foto] am Rand des Plans vermerkt. Da der Besucher vom Eingang her wohl am ehesten dieses an Glasscheibentransporte erinnernde rollende Gebilde bemerkt haben könnte, würde man es eher unter 1 vermuten wollen. Materiell gesehen versperrt es die ortspezifische Durchquerung des Raums, bildet eine im wahrsten Sinne durchsichtige Blockade mit gestapelten Zeichnungen auf Glas. Nur Glas ist eben nicht nur transparent, sondern auch brüchig, wirkt heikel.

   Demgegenüber wirkt Katers Rundregal, die aus Pappe geformte Speicherstätte für die aus Styropor geschnitzten Darsteller wie ein Schutzraum, in dem man sich nach und nach mit dem ‚Repertoire’ beschäftigen kann, um sich an die Spur ihrer Auftritte im Raum, in den Raumzeichnungen zu heften, was gelegentlich gelingt wie in Suchbildern, um alsbald in Frust umzuschlagen, da die als plausibel eingestufte Konstellation an anderer Stelle zu ganz anderen Verknüpfungsmöglichkeiten geführt ist. Der Zeichner steht für Gespräche bereit, man kann ihm zusehen, um aus seinen Arbeitsschritten Schlussfolgerungen zu ziehen, ihn befragen, um sich in diesem von Tag zu Tag weiter wachsenden Raum zu orientieren, in dem jedes Indiz Geistesblitz und Körpererfahrung werden kann. Spätestens in dem Moment, in dem die Frage auftaucht, was nun wahr ist und was falsch, gerät man in die Reflexion dessen, was in diesem Raum vorläufig hingekritzelt oder endgültig gezeichnet, wegwerfbar oder verwertbar, durchschaubar, blockiert, abgelegt, abgehakt, weiterführend, irreführend …sein könnte, um festzustellen, dass des Zeichners dritte Dimension als Wirklichkeitsaneignungskosmos nach allen bekannten und nicht bekannten Regeln wie eine auf den Raum hin konzipierte Drehbühne der verführerischen Dehnungen des möglicherweise Wahren im Falschen und vice versa funktioniert.

   Der Lageplan mit den für derartige Tafeln üblichen Legenden gibt zwar einen Überblick über das besetzte Territorium, der Standort als B, vermutlich für Besucher, markiert und von einem roten Strahlenkranz umgeben könnte in alle Richtungen weisen. Um hier handlungsfähig zu bleiben, muss man irgendwo anfangen. Ich wende mich zur „Himmelsleiterableitung“, wohl wissend, dass dieses Bild immer schon Denker und Dichter inspirierte, und nun feststellend, das es in Katers Programm vor Ort einen „Schwebezustand“ von verwirrender Schönheit erreicht, in dem jedes Indiz einen rätselhaft plausiblen Platz einnimmt.

Pavel Florenskij...
   Raumzeichnung meint in aller Regel Zeichnungen, die nicht nur Wände, sondern Boden und Decke besetzen. Katers Raumzeichnungen könnten dazu verführen, anzunehmen, dass er dies als falsch einzustufen anregt, besetzt er doch den Raum – abgesehen von den schon genannten Speicherregalen, Rollvorrichtungen, Arbeitsvorrichtungen – vor allem mit aufgestellten, aufgehängten, gestapelten, abgelegten, eingeklebten, bezeichneten und unbezeichneten Styroporelementen, die dem Auge nicht einmal die Chance lassen, sich immer nur an der Wand lang zu orientieren.

   Ist das nun „wahres Zeichnen“ – oder „falsches“; für „des Zeichners dritte Dimension“ ist es sicher richtig, allerdings ist ‚richtiges Zeichnen’ zweidimensional, was Kater – z.B. – mit den auf der „Himmelsleiter“ befindlichen Figuren-, Gegenstands- und Formenschaustellern auch vorbildlich zu demonstrieren vermag. „Wahr“ ist, dass die Leiter dazu da ist, von unten nach oben zu kommen. „Wahr“ ist auch, dass man gemeinhin den Himmel räumlich, also dreidimensional betrachtet, ‚oben’ annimmt. Im architektonischen Raum ist oben die Decke, mitnichten der freie Himmel. „Wahr“ ist in Katers Zeichnung, dass ein Fuß unten ist, allerdings über dem Boden schwebend, auch ein Vogel – normalerweise eher in den Lüften schwebend. Von dort bewegen sich Figurenkonstellationen, im Mittelfeld ein Paar, darüber ein ornamentales Doppelkranzgebilde, rechts eine Hand aus dem Nichts, links so etwas wie ein mit Hut oder Heiligenschein versehenes gesichtsloses Wesen. Alles ist offensichtlich mit linearen Strukturen verknüpft, weswegen man geneigt ist, an einer Erzählung über „Himmelsleitern“ zu dichten, über Adam und Eva zum Beispiel, über leitende Hände aus dem Jenseits, über geistige Führung, oder gar des ganz oben gezeichneten Gewichtes wegen über das Gericht am Ende der Tage im dann unbegrenzten Raum und so fort.

   Nur, Katers Himmelsleiter ist keine ‚Anleitung’, sondern eine ‚Ableitung’ oder auch Umleitung, wofür mindestens die deutlich nach unten gerichteten Pfeile, deren einer auf den genannten Fuß weist, ein hinreichendes Indiz sein könnte. Unter konventionellen Gesichtspunkten ist diese Ecke in Katers ‚dritter Dimension’ die charmanteste Bühne der Vorführung „vom wahren Zeichnen im falschen“, gewissermaßen ein szenischer ‚entreacte’ in der Aufführung seines „ideogrammatisches Bildprogramms“ der permanenten Umleitungen „vom wahren… im falschen“, vom Festen zum Fragilen, vom Folgerichtigen zum Verwickelten, vom Nebeneinander zum Übereinander, vom Denkbaren zum Vorstellbaren auf der Drehbühne der ‚mediatorischen Kosmologie“.
   Was fasziniert, ist die wechselseitige Ab- und Umleitung der Werkstoffe in einer Künstlerwerkstatt, die vom Prospect auf die Bühne gewandert ist, um die Wechselwirkungen zwischen den Bildzeichen und den Bildmaterialien voranzutreiben. Demzufolge ist jeder Werkstoff für sich ein Ideogramm: das Glas ein solches für Transparenz und Fragilität, das Tape für lineare Struktur, Begrenzung und Verbindung, das Styropor für temporären Schutz, Porosität und dreidimensionale Flächenform, das Regal ist einsehbares Ordnungssystem und Archiv, die Schachtel ist dessen verschließbare und mobile Variante, der Tisch ist Lebens- und Arbeitsplatz, der Overheadprojektor dessen stromabhängige, gleichermaßen mobile Fassung, die Handzeichnung ist konventionelles Kunstwerkindiz, die Kopie – auf Papier, Transparentfolien oder in digitalisierter Form – deren Streupotential im architektonischen und virtuellen Raum.

   Wie auch immer der Einzelne, der Besucher, die Impulse des Zeichnungsgenerators weiter spinnt oder erzählt, er folgt den Linien zwischen den Verknüpfungen von faktischen und virtuellen Indizien in Rollenspielen vom Wahren im Falschen, dabei im System der unablässigen Ab- und Umleitungen nach Orientierung in Räumen suchend, die sich in der zunehmenden Verdichtung aufzulösen scheinen. So sucht der funktionstüchtige Zeitgenosse nach dem Ziel führenden Pfeil. Hannes Kater hat ihm auf seiner Web-Seite unter ‚meine Lieblingspfeile’ einen Ehrenplatz eingeräumt und natürlich taucht er als grafischer Baustein des einen oder anderen Darstellers auf, sinnigerweise vor allem für ‚Bild’ und ‚Bildwerke’, weswegen man geneigt sein könnte, in einen kunsttheoretischen Diskurs zu verfallen. Wofür steht der Pfeil, woher kommt er, wohin zielt er, ist Zeit gemeint oder Raum, oder Bewegung in Zeit und Raum oder über diese hinaus? Gemeinhin ‚benötigt’ der materielle Pfeil ein Ziel oder eine Zielscheibe; auch der sinnbildliche Pfeil ist mehr oder minder eindeutig gerichtet, selbst wenn er wie im Straßenverkehr um die Ecke weist, was wir so hinnehmen, obwohl das schon reichlich komisch ist.


   „Ich male Pfeile, ich schnitze Pfeile, ich zeichne Pfeile“. Immerhin sind ihm die Pfeile so wichtig, dass sie als Entree in sein digitales Zuhause unmittelbar mit seinem Namen verlinkt sind. Genau genommen gelingt es dem Pfeil, den Namen wegzuschießen, da das K in des Künstlers Name sich so fein in eine senkrechte Linie und eine Pfeilspitze zerlegen lässt. Dann 569 (sic!) Lieblingspfeile, der letzte von 2006 mit dem Verweis auf die neuesten LP’s im Weblog. Um einmal auf der Zielgeraden zu bleiben, lasse ich die übrigen auf der Seite angebotenen Rubriken wie „Pfeile in der Theorie, Pfeile in Texten…, Pfeile alphabetisch“ etc beiseite, folge dem Hinweis auf die neusten Lieblingspfeile und sehe deren Fortsetzung bis zur „Ansammlung“ von inzwischen 902 Versionen. Bei deren Durchsicht stoße ich neuerlich zwischen Lieblingspfeil 897 und 896 auf den Text zu Rortys Tod neben der Tageszeichnung vom 11. 6. 2007, wohl deshalb nicht als Lieblingspfeil nummeriert, da der Pfeil nicht aufgefunden, sondern von Kater selbst gezeichnet ist. Der Text entstammt der FR und enthält die (vermutlich von Kater) fett abgesetzte Passage, dass „Rorty die Hinwendung zur Sprache allerdings nicht als Versuch verstanden wissen (will), eine abstrakte Idealsprache zu konstruieren oder Regeln für die gesprochene, die Umgangssprache zu rekonstruieren.“ Auch Katers „Hinwendung zu ideografischen Zeichen“ zielt nicht auf „eine Idealsprache bzw. eine Idealschrift“.

   Nun stehen bei allen unter "http://www.hanneskater.de" angebotenen Verweisen* die ideografischen Darsteller, Lieblingspfeile inklusive, wohl nicht deshalb im Zentrum, weil sie für sich genommen so formvollendet, schön und auch amüsante Spekulationsunterhalter sind, sondern als „Darsteller“ eben einen Aufführungsort benötigen. Als Schauplatz für die ‚mediatorische Kosmologie’ bietet sich die Drehbühne an, um die Auftritte unablässig in Bewegung zu halten zwischen dem digitalen und dem physischen Raum, zwischen der Webseite in generale und den Auftragszeichnungen im besonderen, zwischen den 3D-Simulationen im digitalen Raum und den Zeichnungen auf der Fläche und im ‚konventionellen’ Raum der bildenden Kunst. Wie es Drehbühnen nun einmal an sich haben, vernetzen sie alles mit allem, in Katers Fassung nicht zuletzt auch durch die eigens auf die Auftragszeichnungen hinweisenden ‚konventionellen’ Werbekarten. Kein Schauplatz steht für sich allein, und die Kreisbewegung ist prinzipiell nicht geeignet, Anfang und Ende oder gar eine Richtung festzuschreiben.

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* Maurice Merleau-Ponty,
La Prose du Monde,
Paris 169, S. 55 f.
   Die Kommunikation über aktuelle Kunst hat sich in einem riesigen Theoriegehäuse eingenistet, für das fakultativ jedes aktuelle Wissenschaftstheorem und jede soziale und/oder ökonomische Strategie ‚verwertbar’ ist. Das muss man nicht beklagen, wie all jene, die sich schlicht immer noch ein schönes Gebilde zum Einrichten und Wohlfühlen in ihrem abgeschlossenen Denk- und Sehraum wünschen. Bildende Kunst ist eben kein Wohnzimmer, sondern eine Werkstatt zur Erprobung von strategischen Möglichkeiten in einem sich unablässig verschiebenden und verknüpfenden Kosmos möglicher Seh- und Anschauungsmöglichkeiten zwischen virtuellem und realem Vorstellungsraum und vice versa in alle Richtungen.

   Was Pfeile im Alltag vorgeben, scheint der besseren Orientierung zu dienen. Deren variantenreiche Ansammlung zwischen ‚offiziellen’ Richtungsweisern und privaten Aufmerksamkeitserregern im öffentlichen Raum kann einen an deren wohlmeinendem Nutzen zweifeln lassen. Auch Katers Pfeile als Angebote zur Orientierung - im digitalen wie im ‚konventionellen’ Raum - , taugen als ‚Hilfen’ zur Desorientierung, allerdings als solche zur permanenten Umorientierung, Umleitung, zur Abweichung, auch Grenzverletzung durch Überschreitung und Umdeutung vorgegebener Denk- und Sehweisen; sie dienen vor allem der dem Verordneten lustvoll widerstehenden Bewegung auf – bisweilen – ungeplanten und unvorhergesehenen Routen.

   Das riesige Arsenal vorgefundener wie selbst erfundener Zeichen und das nicht minder umfangreiche Arsenal der Aus- und Aufführungsmöglichkeiten legt überschaubare Einteilungen und die Nutzung geläufiger Vereinfachungsstrategien nahe. Dia- und Overheadprojektoren, Klebebänder und Folien und die diversen Speichermethoden vom Register bis zum Regal, vom Lexikon bis zum ‚Handapparat’, von der Schachtel bis zum Ordner erweisen sich auch aus diesem Blickwinkel als komplexes strategisches System eines zwischen Reduktion und Expansion agierenden ‚Mediators’*, der im virtuellen und im architektonischen Raum solange Linien ‚zieht’, kritzelnd, zeichnend, kopierend, projizierend, schnitzend, klebend, einschweißend, bauend, vortragend, speichernd, anbietend und kommunizierend, bis man sehend, zuhörend, denkend, empfindend erkennt, was man zwar weiß, aber nicht immer gleichermaßen anregend sieht und erlebt: dass alles mit allem zusammen hängt und sich wieder verflüchtigt - auf der weißen Fläche wie im leeren Raum
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   Neben allen Verweisen auf Katers Position im Netzwerk künstlerischer Konzeptionen zwischen utopisch gestimmter Moderne und kontextuell verwickelter Nachmoderne kann man versucht sein, in der Genealogie von Geistesverwandten Thomas Schmit als einen der nächsten Vorfahren auszumachen. Das betrifft nicht nur die über die künstlerische Vorgehensweise visualisierte Balance zwischen alltäglichen Banalitäten und den bestechenden Ebenen der Sprichwörtlichkeit auf der einen und den übervollen Speicherkapazitäten der wissenschaftlichen Disziplinen auf der anderen Seite, das betrifft vor allem die hochintellektuelle Humorigkeit des um seine Grenzen wissenden Schaustellers auf der Bühne vorgeblicher Weltbilder im Labyrinth der ‚linearen’ Verknotungen in Wort und Bild. Seine Auftragszeichnungen, die Kater nach ihm von interessierten Kunden verfassten und per mail zugesandten Texten anfertigt und – anders als der aus feudalen Zeiten bekannte ‚Auftragskünstler’ – kostenlos anbietet, liefern dafür den ebenso unterhaltsamen wie stringenten Beleg.

   Der ‚ars combinatoria’ verdankt Katers ‚Kosmologie’ jene hybride Mixtur aus Körperorganismus und kosmologischer Architektur im Schwebezustand zwischen Datenautobahn und Vorstellungsgestrüpp – und das in einer Präzision und Schönheit, bei der einem schwindelig werden kann. Was auch immer „Hannes Kater verstehen“ bedeuten kann, die Verwertungsgesellschaft ist eine solche - ‚ohne alle Gewähr’ - mit arbeitsreichem Unterhaltungswert oder dem Kapital der flexiblen Neugier im Zeichenkosmos zwischen Hirn und Hand, zum Beispiel am 15. 6. 2007 als Verwerter einer Überschrift in der FAZ zum „Vermächtnis eines großen Denkers“ – gemeint ist Richard Rorty –, die da lautet: „Mit leichtem Gepäck gegen das Tiefgründige und Großartige anschreiben“, was ich mir für Hannes Kater zu verwerten erlaube: „Mit leichtem Gepäck gegen das Tiefgründige und Großartige anzeichnen“, um die Frage anzuschließen, was könnte wohl leichter sein als die Linie?
Annelie Pohlen, Bonn, 11.6. – 16.7.2007


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