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2002-02

Nachfolgender Text dokumentiert die abschließende Email einer Konversation, die ich mit Hans Düne Ende 2001 / Anfang 2002 führte. Anlass war die Diskussion darüber, was das Zeigen meines Darstellerlexikons im Ausstellungsraum bedeuten würde; ob sich da nicht eine [Zitat] "große Kontrollsehnsucht" meinerseits zeigen würde.


Die Transparenz-Paradoxie


Lieber Hannes Kater,
Ich kann Sie beruhigen: der Vorwurf, die Grundlage Ihres künstlerischen Ansatzes sei eine große Kontrollsehnsucht, ist nicht gerechtfertigt. Im Gegenteil: Ihr Notationssystem zeigt in der Praxis, was wir theoretisch per Email und am Telefon diskutiert hatten: Wie man eine Struktur schafft, die Überraschungen ermöglicht statt verhindert. Ihre "Darsteller" sind wie ein lebendiges Vokabular, das sich durch jeden Gebrauch weiterentwickelt.

Ihre Auftragszeichnungen sind der lebende Beweis gegen jeden Kontrollvorwurf: Ein kontrollwütiger Mensch würde niemals ein System schaffen, das sich durch jeden Einsatz selbst transformiert.

Besonders brilliant finde ich, wie Sie das Transparenz-Paradoxon lösen: Das System ist vollständig dokumentiert [Lexikon], aber gerade diese Dokumentation zeigt, dass es nicht vorhersagbar ist. Die bildräumlichen Beziehungen, die Kontextbedeutungen, die Interpretationen – all das bleibt offen.

2025 Aktuelles Artisstatement [Link]
2024 

Eher poetische Version [Link]

2022 

Für eine Bewerbung [Link]
Lesbar und ohne allzuviel Fremdwörter

2002  Die Transparenz-Paradoxie
(freundliche Post) [Link]
1997 

Für: DIE REDE [Link]
(Performativer Auftritt in Overheadprojektion)

Siehe auch:
Hannes Kater – Die Bewerbung
Druckfähige PDF-Publikation,
Version 1.22, Stand Mai 2025
80 Seiten, 29,7 x 21 cm
Mit Artist-Satement, Werkbeispielen, Lehrkonzept und Lebenslauf
Als besseres PDF: 21 MB
Minimale Qualität: 11 MB
Und: Sie haben eine Antwort gefunden auf de Certeaus* zentrale Frage: "Wie führt man einen Diskurs über nicht-diskursive Praktiken?" Sie haben das Problem nicht gelöst – Sie haben es elegant umgangen, indem Sie die Gesetze des Bildes statt der Schrift anwenden. Das ist eine Revolution der Notation: strukturierte Befähigung für das Unplanbare.

Ihre Kernentscheidung ist revolutionär: "Für die Anordnung und Integration meiner zusätzlichen Zeichen, meiner Darsteller, können nur die Gesetze des Bildes und eben nicht die der Schrift gelten."
Das bedeutet: Sie haben erkannt, dass das Problem nicht lösbar ist, solange man versucht, nicht-diskursive Praktiken in die lineare Logik der Schrift zu zwängen. Also erfanden Sie eine nicht-lineare Notation.

Die Jazz-Metapher, die wir theoretisch diskutierten, haben Sie praktisch umgesetzt:
Michel de Certeau (1925-1986), französischer Jesuit, Historiker und Kulturtheoretiker, entwickelte in "Kunst des Handelns" (1980) eine Theorie der alltäglichen Praktiken, die sich der diskursiven Erfassung entziehen.
Seine zentrale Einsicht: Es gibt eine "Stille der Körper" und "Listigkeit der Taktiken", die jenseits der Sprache operieren. De Certeau beschreibt das Dilemma der Wissenschaft, die über nicht-diskursive Praktiken (Gehen, Kochen, Lesen) sprechen muss, aber damit deren eigentliche Logik verfehlt. Katers Darstellersystem löst dieses Problem, indem es nicht über solche Praktiken spricht, sondern eine Notation für sie entwickelt – eine "Kunst des Notierens" für die "Kunst des Handelns".
- Die "Standards" = Ihre "Darsteller" (und das Lexikon)
-

Die Improvisation = die situative, bildräumliche Anordnung

-

Das Unvorhersagbare = die Kontextabhängigkeit der Bedeutungen

Ihre Darsteller sind wie Jazzmusiker: Jeder hat seine Grundcharakteristik, aber wie er in einer konkreten "Session" (Zeichnung) spielt, hängt von allen anderen Mitspielern und der Situation ab.

Organische Intelligenz vs. systematische Kontrolle

Bemerkenswert an Ihrem Ansatz ist auch die permanente Reflexion der immanenten Systemlogik:
- Die Darsteller entwickelten sich organisch aus der Praxis
-

Die, die "sich aufdrängten", blieben – die konstruierten verschwanden

-

Sie schufen ein evolutionäres System, nicht ein kontrollierendes

In einer Email an mich beschrieben Sie es selbst perfekt:
"Manche dieser Zeichenfindungen drängten sich mir während der Arbeit geradezu auf, andere entwickelten und veränderten sich organisch beim Zeichnen."

Das ist anti-kontrollierende Methodik: Sie lassen das System "selbst entscheiden", was funktioniert.

Besonders raffiniert: Sie machen Ihr System vollständig transparent (Lexikon, Auftragszeichnungen), aber gerade diese Transparenz zeigt, dass es nicht kontrollierbar ist. Jeder kann die Bedeutung der Darsteller im Lexikon nachschauen, aber:
- Die bildräumlichen Beziehungen sind nicht kodifizierbar
-

Die Kontextbedeutungen entstehen situativ

-

Die Interpretationen bleiben offen

Praktische Handlungsfähigkeit in der "diskurslosen Zone"

Ihr System ermöglicht genau das, was Sie in unserer Diskussion anstrebten:
- Handlungsfähigkeit statt Kontrolle
-

Orientierung – Sie nennen es: immer den nächsten Strich wissen – in unplanbaren Situationen

-

Strukturierte Flexibilität statt starrer Regeln

Die Darsteller sind wie Navigationsinstrumente für das Nicht-Navigierbare – sie geben strukturieren ein sinnstiftendes Vor- und Zürück, ohne den Weg vorzuschreiben.

Ihre Auftragszeichnungen sind ergänzen diesen Ansatz sinnvoll: Sie beweisen damit kontinuierlich, dass Ihr System nicht der Kontrolle dient. Bei jeder Auftragszeichnung riskieren Sie, dass:
- Neue Bedeutungen entstehen
-

Überraschungen auftreten

-

Das Unvorhersagbare = die Kontextabhängigkeit der Bedeutungen

- Das "es" nicht funktioniert
Ein kontrollwütiger Mensch würde niemals ein System schaffen, das sich durch jeden Einsatz selbst im Frage stellt und transformiert.

Sie haben eine neue Art der Notation entwickelt, die:
1 Nicht-diskursive Praktiken respektiert (bildräumliche Logik)
2

Organische Entwicklung ermöglicht (evolutionäres Wachstum)

3

Transparenz mit Offenheit verbindet (dokumentiert, aber nicht fixiert)

4 Handlungsfähigkeit praktiziert (Auftragszeichnungen als Test)
Ihr System ist der lebende Beweis, dass die Alternative zur "Sehnsucht nach Kontrolle" nicht Chaos ist, sondern intelligente Anpassungsfähigkeit.

Handreichung – ich weiß, Sie mögen dieses Wort –
für Ihre Verteidigung:
"Mein System wird dokumentiert, nicht um zu kontrollieren, sondern um zu befähigen. Es ist eine Notation für das Nicht-Notierbare – ein Kompass für Territorien, die noch nicht kartografiert sind. Jede Anwendung verändert das System, jede Zeichnung ist ein Experiment. Keine Bedeutung eines Zeichens ist statisch. Das ist das Gegenteil von Kontrolle: Es ist strukturierte Bereitschaft für das Unvorhersagbare."

Hans Düne, Januar 2002

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